Micromechanical Tests on Superalloys
Das Thema des Monats
Seit Anfang des Jahres präsentieren wir an dieser Stelle monatlich ein spannendes Thema aus dem Bereich der Werkstoffwissenschaften.
Das “Thema das Monats” ist einfach und verständlich erklärt und gibt aufschlussreiche Einblicke in die Forschungsaktivitäten unseres Departments.
Das Thema des Monats Mai kommt aus dem Lehrstuhl für Allgemeine Werkstoffeigenschaften (WW1) und hat den Titel:
Mikromechanische Versuche an Superlegierungen
von Markus Kolb
Worum geht es bei dem Thema?
Superlegierungen sind Materialien, die speziell für den Einsatz bei hohen Temperaturen entwickelt werden. Das Zusammenspiel aus etwa zehn unterschiedlichen Elementen führt zu einer Reihe herausragender Eigenschaften, wie exzellente mechanische Hochtemperaturfestigkeit und Oxidationsbeständigkeit, die bis zu Temperaturen von ca. 1150 °C aufrechterhalten werden können. Zurückzuführen sind diese Eigenschaften auf eine besondere Mikrostruktur, nämlich geordnete intermetallische γʹ-Ausscheidungen mit zumeist kubischer Morphologie, die in eine mischkristallgehärtete γ-Matrix eingebettet sind, welche in Abbildung 2a) dargestellt ist.
Abbildung 1: a) Turbinenschaufel aus einer Superlegierung, b) freigelegte γʹ-Ausscheidungen, welche durch einen Indenter verformt werden können.
Dieses Projekt im Rahmen des SFB/TR103 „From atoms to turbine blades – a scientific basis for a new generation of single crystal superalloys“ zielt darauf ab, die mechanischen Eigenschaften der auftretenden Phase individuell zu testen. Beispielsweise können die kubischen γʹ-Ausscheidungen durch einen Ätzprozess von der Matrix getrennt werden (siehe Abbildung 2b), und dann an einzelnen freistehenden γʹ-Ausscheidungen Druckversuche durchgeführt werden (siehe Abbildung 1b).
Besonders interessant ist bei diesen Versuchen, dass die Ausscheidungen zu Beginn des Versuchs frei von linienhaften und planaren Defekten sind, was bei Versuchen auf größeren Längenskalen üblicherweise nicht der Fall ist. Solche Versuche erlauben es, nicht nur die mechanische Festigkeit zu bestimmen, sondern auch Rückschlüsse auf die Verformungsmechanismen zu ziehen. Bereits geringe Veränderungen der chemischen Zusammensetzung können die Verformung einer Superlegierung deutlich beeinflussen. Daher ist eine exakte Charakterisierung der einzelnen Phasenzusammensetzungen, wie es am Lehrstuhl WWI beispielsweise durch eine Atomsonde erfolgt, essentiell.
In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe für Werkstoffsimulation von Prof. Bitzek können darüber hinaus weitere Details des Verformungsverhaltens, wie Defektnukleation, erforscht werden (siehe Abbildung 2c).
Abbildung 2: a) Typische γ/γʹ-Mikrostruktur einer Superlegierung, b) durch einen Ätzprozess freigelegte γʹ-Ausscheidungen, und c) Werkstoffsimulation, die Hinweise auf die Verformungsprozesse liefert.
Wo findet es Anwendung?
Aktuell werden Superlegierungen auf der Basis von Nickel hauptsächlich in stationären Gas- oder Flugturbinen eingesetzt, und zwar in den Bereichen höchster Temperaturen. Je nach Bauteil sind die Nickelbasis-Superlegierungen entweder einkristallin oder polykristallin. Eine Turbinenschaufel, wie in Abbildung 1a dargestellt, ist üblicherweise ein einkristallines Bauteil, da Kriechprozesse somit verlangsamt werden können. Turbinenscheiben hingegen, auf denen die Schaufeln aufgebracht sind, sind polykristalline Legierungen, da diese höhere Belastungen bei Temperaturen von ca. 700°C standhalten. In den letzten Jahren sind die Kobaltbasis-Superlegierungen immer weiter in den Fokus gerückt, da Kobalt einen höheren Schmelzpunkt als Nickel aufweist und somit die Einsatztemperaturen nochmals erhöht werden könnten.
Erkenntnisse aus mikromechanischen Versuchen und der Werkstoffsimulation, wie sie in diesem Projekt durchgeführt werden, fließen dann in die Legierungsentwicklung ein, um die Superlegierungen weiter zu verbessern.
Was ist weiter geplant?
Konventionelle und hochauflösende Transelektronenmikroskopie an verformten γʹ-Ausscheidungen, um die zugrundeliegenden Verformungsmechanismen eindeutig zu klären.
Zur Person:
Name: Markus Kolb
Studium: Materialwissenschaften und Werkstofftechnik M.Sc.
Forschungsschwerpunkte: Nickel- und Kobaltbasis-Superlegierungen, Mikromechanik